22 Mai 2019

politics day 22.05.2019

12:00 Uhr
Politicsdays plakate 01

politics day 22.05.2019

servitude volontaire? freiwillige Unterwerfung?

Am 22. Mai 1933 inszenierten Vasallen der Nationalsozialisten unter Duldung des Rektors und unter Beteiligung von Studierenden am Schloßplatz der damaligen Meisterschule des deutschen Handwerks eine Bücherverbrennung. Die Hochschule für Gestaltung hat sich der Aufgabe gestellt, die Verstrickungen der Institution in das nationalsozialistische Regime aufzuarbeiten und den Historiker Dr. Andreas Hansert beauftragt, eine Studie zur NS-Vergangenheit der Vorgängerinstitution zu erarbeiten, die in diesem Jahr veröffentlicht wird. Seit mehreren Jahren machen am 22. Mai Aktionen auf das historische Fanal aufmerksam.

In Fortsetzung dieser Prozesse hat die Arbeitsgruppe, die diese Aufarbeitung begleitet hat, vorgeschlagen, jedes Jahr am 22. Mai einen politics day zu veranstalten, als Zeichen einer allgemeinen awareness der HfG angesichts krisenhafter politischer Verhältnisse: starke populistische Rechtsbewegungen, Krise der Wahrheit/Segnung der Lüge, Infragestellungen einer demokratischen Bindungskraft, ökologische Globalkrisen, Neoliberalismus, Datenschutz, Digitalisierungshysterie ...

Idee ist, Studierende, Professoren, Mitglieder der HfG einzuladen, ein gattungs- und formatfreies Projekt an diesem Tag zu realisieren.

Der 22. Mai 2019 wird als Auftakt zum politics day programmiert. Im Mittelpunkt steht ein Gründungstext der politischen Theorie, die Abhandlung Discours de la servitude volontaire, also:
​Von der freiwilligen Knechtschaft von Étienne de La Boétie, geschrieben um 1547 im Kontext eines gewaltvollen, absolutistisch-monarchistischen Regimes in Frankreich. Der Text, der sich auch Le Contr´un nennt, der Anti-Monos, fragt, warum so viele Menschen sich freiwillig unterwerfen, blinden Gehorsam ausüben, sich als Knecht wohlfühlen unter der Tyrannei eines Einzigen. Zeitlose Fragen, wenn man den einen Monarchen durch die Absolut-Setzung einer Idee, eines Ideals, eines Systems ersetzt. La Boéties Antworten sind vielfältig und originell, vor allem die Analyse jener, man könnte sagen, neo-liberalen Strategie, die die Unterworfenen an ihrer Unterwerfung teilnehmen lässt und also die maximale Abhängigkeit erzwingt.

La Boéties Text wird in den kommenden Jahrhunderten als Manifest des zivilen Ungehorsams in sozialistischen und anarchistischen Milieus gewürdigt, eine deutsche Übersetzung wird 1910 von Gustav Landauer angefertigt, der 1919 von Freikorps-Soldaten ermordet wird. Doch auch die politische Philosophie Baruch de Spinozas übernimmt Gedanken La Boéties, in aktuellen Diskursen sind es u.a. Gilles Deleuze und Michael Hardt/Antonio Negri, die die Fragen der freiwilligen Unterwerfung erneut stellen. Auf der Rückseite sind ausgewählte Zitate des Textes zu finden.

An drei Orten: vor dem Haupteingang der HfG, vor der Aula und im Eingang der Geleitsstraße verweist ein Plakat auf die Aktion, liegt dieses Papier auf und stehen je 33 Exemplare des Buches zur freien Verfügung. Eine Plane am Straßenbogen beim Haupteingang macht auf den politics day für die Öffentlichkeit aufmerksam. Die Aktion soll weniger exemplarisch sein, denn den politics day anstoßen und Lust auf nächste Projekte machen.​

politics day 22.05.2019

12 bis 18 Uhr

Wir freuen uns über Resonanz und Kommentar: ries@hfg-offenbach.de

Hauptteile des Textes von La Boétie sind auch im Netz verfügbar unter:

https://gutenberg.spiegel.de/buch/von-der-freiwilligen-knechtschaft-des-menschen-5225/1

Arbeitsgruppe politics day

Marc Ries, Christa Scheld, Kai Vöckler, Claus Withopf

Gestaltung

Anna Sukhova, Mitarbeit, Christine Würmell

Dank an

Gabriel Haberle und die Buchhandlung am Markt