Das Leben. Lesen

Georges Perec, Das Leben Gebrauchsanweisung. Romane
Eine Aufführung
Das 1978 veröffentlichte Buch von Georges Perec, La Vie mode d'emploi. Romans, umkreist ein präzises Datum, der »dreiundzwanzigste Juni neunzehnhundertfünfundsiebzig, acht Uhr abends«. An diesem Zeitschnitt endet das Buch in seinem 99. Kapitel, doch alle vorherigen Ereignisse und Kapitel haben diesen Augenblick als ihren magischen Zeitkern, von ihm aus wird das Leben der Bewohner eines Wohnhauses im 17. Pariser Arrondissement entfaltet, perforieren endlose Aufzählungen an Dingen des Alltags den Lesefluss, lenkt ein unsichtbares Regelwerk die Geschicke.
Die literarische Geste korrespondiert mit einer formal-logischen: Perec unterwirft sich beim Verfassen sog. contraintes, stilistischen »Zwängen«: Die Abfolge der Kapitel folgt der Bewegung des Schach-Springers auf einem lateinischen Quadrat mit der Ordnungszahl 10, das auf das Wohnhaus appliziert wird und dessen 10x10 Einteilungen den jeweiligen Wohnungen bzw. Funktionsräumen entsprechen. Georges Perec springt im Erzählen wie die Pferdefigur systematisch von Einheit zu Einheit, wodurch ein riesiges Geflecht aus Biographien und Begegnungen entsteht.
Im Mittelpunkt steht die Geschichte eines Mannes, der Aquarelle malt, diese in Puzzles zerlegen lässt, um sie schließlich wieder zusammenzusetzen. Die Idee des Puzzles steht dabei programmatisch für das Bauprinzip des Romans.
Die Lecture Performance Das Leben Gebrauchsanweisung. Romane will das Werk von Perec exakt 50 Jahre später als Tableau einer Überfülle erfundener Lebensweisen und vorgefundener Dingwelten des Alltags in einem kontinuierlichen Lese- und Zeigerausch erfahrbar machen. Zum anderen die spröde Eleganz konstruierter Wirklichkeiten durch abstrakte Regelwerke sichtbar machen. Wir folgen der Frage, ob die – vermeintliche – Totalität des Lebens sich über Anweisungen und Ordnungen erfassen und darstellen lässt, oder aber schlicht eine sinnlich-intellektuelle, genussvolle Einbildung bleibt, ein Spiel mit Fragmenten als Abbild einer "unentwirrbare(n) Zusammenhanglosigkeit der Welt" (Perec).
Acht Lesende – Tatiana Vdovenko, Nikolaus Freimuth, Marc Ries, Julian Mühlsteff, Josefine Geib, Isabell Ratzinger, Frank Witzel, Anika Benkhardt – lesen drei Tage lang das Buch des französischen Schriftstellers auf Deutsch, sie werden von zwei »maîtres de cérémonie« – Edvinas Zukauskas und Moritz Lapke – unterstützt.
21.+22+23. Juni 2025, 12–20 Uhr