Ruth Coman

Improvisation, Urban Design und Migration

Fachbereich Design

Transnationale Arbeitsmigration hat komplexe Auswirkungen auf städtische Räume sowohl an Ankunfts- als auch an Herkunftsorten. Die offensichtlichsten und sichtbarsten Spuren sind auf der einen Seite Banken, Geldwechseleinrichtungen, Rekrutierungsagenturen oder sogenannte Migrantenhäuser, beziehungsweise türkische Bäckereien, rumänische Restaurants oder afrikanische Lebensmittelläden auf der anderen Seite.Die transnationale Migration schafft Verbindungen zwischen verschiedenen Orten und führt zu einer gegenseitigen Abhängigkeit, nicht nur im Leben der Personen, sondern auch in den städtischen Landschaften. Diese Verbindungen lassen sich in den sogenannten improvisierten Aktivitäten des Städtischen ablesen, die in Urban Design zunehmend eine Rolle spielen. Die Improvisation des Raumes in der Konzeption des Architektur- und Designtheoretikers Christopher Dell versteht sich als ein kontextbezogenes Handlungsmodell in der Dechiffrierung kontingenter urbaner Situationen und als eine sozio-materielle Ressource des Städtischen, die nicht im Sinne der Informalität zu sehen ist. Bei der Improvisation geht es darum, wie das räumliche Handeln von Migrant*innen als entscheidender Prozess in der Gestaltung städtischer Räume funktionieren kann. Dabei ist jedoch auf eine Leerstelle kritischer Forschungen hinsichtlich der Improvisation des Raumes an mehreren, in Verbindung stehenden Orten, hinzuweisen. Damit stellen sich die grundlegenden Fragen dieser Forschungsarbeit: Wie wird an mehreren Orten gleichzeitig improvisiert, und wie können die sozio-materiellen Ressourcen migratorischer Improvisationen für Urban Design benutzbar gemacht werden? Zusätzlich wird der Frage nach den Ermöglichungen und Einschränkungen der Improvisation nachgegangen.Die Arbeit zielt darauf ab, durch das Erforschen der Improvisation der Gleichzeitigkeit der Praktiken des Alltags an mehreren Orten eine Stimme zu geben. Dabei dient die Stadt Offenbach am Main als Ausgangspunkt, um dann Migrationsorte bzw. Herkunftsorte in Rumänien zu untersuchen. Offenbach am Main ist die erste Kommune in Deutschland, in der die Herkunftsdeutschen die Minderheit bilden, ein Paradebeispiel für eine »arrival city«[1]. Nach der Türkei und nach Griechenland, besetzen hier rumänische Migrant_innen mit 9,7 Prozent den dritten Platz der nicht-deutschen Bevölkerung.[2] Folglich liegt das Erkenntnisinteresse in der Erkundung der räumlichen Settings und Konstellationen, die in diesem Prozess sichtbar werden. Damit wird das zentrale Ziel des Designs angedeutet – das Ermöglichen einer De- und Reassemblage urbaner Situationen.[3]
Das theoretische Erweitern der Thematik zusammen mit der in visuellen Darstellungen und in Diagrammen überführten vorgefundenen Muster und Ordnungen stehen in einer komplementären Beziehung, ergänzen sich gegenseitig und ermöglichen ein anderes Denken von Design. Folglich trägt diese Arbeit sowohl zu der Erweiterung der Designtheorie als auch zu der Erforschung des Zusammenhangs von Stadtentwicklung und Migration bei.
[1] K. Vöckler (2017). Offenbach ist anders. Über die kleine globale Stadt, das Fremdsein und die Kunst. Berlin: Vice Versa Verlag.
[2] Statistisches Jahrbuch 2016/2017, Offenbach am Main. Arbeitsförderung, Statistik und Integration.
​[3] C. Dell (2019). The Improvisation of Space. Berlin: Jovis Verlag.

Betreuende:

Prof. Dr. Kai Vöckler

Prof. Heiner Blum

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