Marian Rupp

Figurale Fabulation Grafische Philosophie und die Verschränkung von Materie und Bedeutung

Fachbereich Kunst

Ökosophische Metamodellierung, Gaia-graphy, Speculative Fabulation, Diffractive Patterning, Diagrammatic Writing… Bestrebungen der letzten zwei Jahrzehnte versuchen inmitten des komplexen Konglomerats aus technologischen Neuerungen, sozialem Wandel und einer planetarischen Krise traditionellen Narrativen alternative Ausdrucksweisen entgegenzuhalten. Es geht ihnen um die Dringlichkeit erneuerter Darstellungsmethodiken, welche die spezifischen materiell-semiotischen Heterogenitäten eines gemeinsamen Kosmos verantwortlich figurieren können. Dazu öffnen sie sich für transmediale und transdisziplinäre Experimente, die einerseits zu einer Art Ununterscheidbarkeit zwischen Wissenschaft, Kunst, Politik, Theorie, Design etc. führen und andererseits aber auch resingularisierend eine mögliche Neuerfindung dieser Modi bzw. lebbarer Modi der Existenz zusammenziehen sollen.

Es handelt sich um semi-theoretische Praktiken aus dem New Materialism, den Science and Technology Studies, der Akteur-Netzwerk-Theorie und dem Umkreis Deleuzes und Guattaris. Diese verbinden geopolitische Fragen mit der Frage der Darstellung. Dabei sind sie besonders darauf aufmerksam, wie sie selbst Darstellungen darstellen. Haraway schreibt, dass es einen Unterschied mache, welche Figuren Figuren figurieren: »It matters which matter matters matter.« Das bedeutet unter anderem, dass jegliche Präsentation (auch die der Theorie) stets eine ideologische Visualisierungspraktik beherbergt, die ein bestimmtes Weltbild, das Perspektiven wie Akteure ein-, aber auch ausschließen kann, transportiert. Es bedeutet, dass wir durch das Ziehen von Linien, die Anordnung von Worten und die Verteilung von Flächen zugleich Aufteilungen des gemeinschaftlichen Raumes vornehmen. 

Mit Lyotards Begriff des Figuralen, der eine Kritik am homogenen Raum des Siginifikanten bzw. des Figurativen anstößt, lässt sich ein Raum heterogener Gefüge entfalten, der uns vom bloßen Fokus auf der Arbeit am Text in eine bewegliche Textur führt. Lyotard hat darauf hingewiesen, dass, wenn das Ereignis der Bedeutung und des Sinns nie nur von der Sprache allein produziert wird, die Theorie sich methodisch zu ihrer konkreten Darstellung verhalten müsse. Dieses Sich-Verhalten zum (nicht bloß reflexiven und mitunter zufälligen) Ereignis der eigenen verstrickten Materialisierung kann in dem Begriff der Fabulation gefasst werden. Henri Bergson initiierte diesen, um ein ereignishaftes Anders-Werden von sozialen Kollektiven zu denken. Gilles Deleuze hatte den Begriff in mehreren Schriften aufgenommen und ihn um eine politisch-ästhetische Funktion gewandelt. Zuletzt hat Haraway ihn als »spekulative Fabulation« re-aktualisiert und auf ein responsibles Gemeinsam-Werden erweitert. Hier geht es um das Erschaffen von ereignishaften Interferenzmustern, von Texturen aus und mit Texturen, die mit der eigenen Konstruiertheit umgehen. Ebenso schlägt Karen Barad die methodische Figur des »Diffraction Patterning« vor, das sie dem klassischen Modell der Reflexion gegenüberstellt.

Über das Prisma der zwei Begriffe Figural und Fabulation soll die Promotionsarbeit:

1. neuere konkrete Versuche der verantwortlichen materiell-diskursiven Darstellung in der Theorie, die als solche noch wenig beachtet sind, durch transversale Verknüpfungen weiterführend anschlussfähig machen, 

2. gegen eine Bifurkation in Form und Inhalt, Design und Text innerhalb der Theorie, die trotz einer allgemeinen Anerkennung der Kräfte der Darstellung weiterhin besteht, für einen bedachten Umgang mit der eigenen Materialisierungspraxis sensibilisieren,

3. der Dringlichkeit neuer Narrative in verwickelten Zeiten nachkommen.

Betreuender:

  • Prof. Dr. Marc Ries
  • Donna haraway  speculative fabulation

    Gilles Deleuze (2013). Foucault. Frankfurt a. M.: Suhrkamp, S. 168f.

  • Gilles deleuze  foucaults diagramm

    Donna Haraway (2016). Staying with the Trouble. Durham/London: Duke University Press, S. 9

Gilles Deleuze (2013). Foucault. Frankfurt a. M.: Suhrkamp, S. 168f.

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