Julia Stefanovici

Tanzkleider – Kleidertanz Über das Phänomen textiler Architekturen auf der Bühne des zeitgenössischen Tanzes

Fachbereich Kunst

Kleidung ist Kulturpraxis und entwickelte sich mit der Zeit zu einem Zeichen tragenden Medium der Kommunikation. So wie diese Zeichen im Alltag Informationen über Geschlecht, soziale Stellung, kulturellen Hintergrund und vieles mehr vermitteln, so wirken sie auch auf der Bühne auf die Bildrezeption von Inszenierungen. Doch tauchen gerade dort auch immer wieder Kleider auf, die sich dieser Zeichenhaftigkeit entziehen, sich selbst thematisieren und den Anspruch erheben, als unabhängiges künstlerisches Gestaltungselement begriffen zu werden. Die historische Avantgarde stellt dabei für die bildenden und darstellenden Künste einen markanten Wendepunkt dar. Sie übte prägenden Einfluss auf Bühnenkonzepte und begünstigte neue tänzerische Ansätze. Diese wirkten wiederum auch auf den Umgang mit Bühnenkleidern. Beispielhaft anführen kann man hier die »Serpentine Dances« von Loïe Fuller, die mit ihren ausladenden Schleierkleidern vergängliche Ornamente im Raum schuf. Und zugleich initiierte sie eine neue Form der szenografischen Strategie, die dem Kleid als bewegtes Material eine eigene Rolle auf der Bühne einräumt.

Die Forschungsarbeit »Tanzkleider – Kleidertanz« soll sich gezielt solchen Kleidern zuwenden, die sich über ihre Funktion als Kommunikationsmedium und als Körper-Schutz, Körper-Schmuck oder Körper-Erweiterung hinaus in den Umraum ausdehnen und dabei vorübergehend architektonische Qualitäten in Form von Raumbildung entfalten. In der Bewegung des Tanzes überträgt der Körper seine Dynamik auf das von ihm getragene Kleid und das textile Material wird zum kinetischen Objekt. Die so entstehenden ephemeren und skulpturalen Strukturen bilden kurzzeitige Raumabschlüsse, deren Räumlichkeit, Kubatur und Struktur geprägt sind von Vergänglichkeit. Ein Spannungsverhältnis zwischen den in steter Wandlung sich befindenden Raumkörpern und dem unbeweglichen Bühnenraum entsteht. Das Ver- und Enthüllen von Körpern geschieht im Zusammenspiel mit den kinetischen Eigenschaften textiler Materialien. Die so entstehenden Gebilde führen zu einer veränderten Wahrnehmung der scheinbaren Konstanten Kleid, Körper und Raum. Die klare Trennung von Tänzer*in und Umraum löst sich auf, und die Komponenten Raum, Kleid und Tänzer*in verschmelzen zu eigenständigen Figuren. Diese Figuren können zugleich Kleid, Bühnenbild und Akteur sein. Ihre Bedeutung für Bühneninszenierungen ist offensichtlich, während die Skulpturalität auch einen direkten Bezug zur bildenden Kunst herstellt.

Mit der Dissertation möchte ich einen Beitrag leisten zur kunst- und tanzwissenschaftlichen Diskussion über aktuelle Formen szenografischer Konzepte auf der Bühne des zeitgenössischen Tanzes. Über 100 Jahre nach den Einflüssen der Avantgarde soll der Frage nachgegangen werden, welche Rolle heutzutage textile Architekturen in Form von Tanzkleidern spielen. Die Intentionen von Choreograf*innen und Szenenbildner*innen solcher objekthafter, tragbarer Raumkleider werden beleuchtet und Deutungsmöglichkeiten erörtert. Ziel ist die Herausarbeitung aktueller Tendenzen, die mit zeitgenössischen Ästhetiken in Beziehung gesetzt werden. Denn wenn auch für eine Tanzaufführung die tänzerische, choreografische und dramaturgische Leistung die federführenden Komponenten des Gelingens sind, so prägen Bühnenbild und Kostüm unmittelbar die visuelle Rezeption des Gesamtwerkes.

Betreuende:

Prof. Dr. Christian Janecke (Theorie)

Prof. Heike Schuppelius (Praxis)​

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