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Japanische Tattoos und afrikanische Narben

Die Ausstellung in der Hochschule für Gestaltung Offenbach wirft einen Blick auf schmückende Haut- und Körpermodifikationen in Japan und Südsudan.

Das prähistorische Volk der Jomon lebte zwischen 13000 und 300 v. Chr. auf den Inseln des heutigen Japans. »Jomon« bezeichnet im Japanischen die schnurartigen Erhöhungen und Kerbungen, mit denen Keramiken dieser Epoche in charakteristischer Weise verziert wurden.

In ihrem aktuellen Projekt »JOMON-TRIBE« haben der Tattooist Taku Oshima (apocaript.com) und der Fotograf Ryoichi »Keroppy« Maeda (keroppymaeda.com) aus Tokyo diese alten Muster in Form großflächiger Ganzkörper-Tätowierungen revitalisiert und künstlerisch neu interpretiert. Im Zusammenspiel von Video-Projektion, großformatigen Fotos und Live-Performance reflektieren die Künstler auf Parallelen zwischen der im heutigen Japan offiziell verbotenen Tradition des Tätowierens und der bis in die 1960er Jahre gerne ignorierten Bedeutung der Jomon für die Kultur des Landes. Durch die Übertragung der Muster auf lebendige Körper stellen die Künstler Fragen nach der Einzigartigkeit des Individuums, nach kultureller Identität und nationalen Konventionen. Sie diskutieren die Idee des »modernen Primitivismus« und dessen Rolle bei der stammesgeschichtlichen Verortung (post)moderner Gesellschaften. In der Life-Performance wird Taku Oshima an einem aus Toyko angereisten Modell das großflächige »Jomon-Tribe-Blackwork« mit traditionellen Werkzeugen fortsetzen.

Skarifizierung im Südsudan

Identifizierung - Initiierung - Dekoration: mit diesen Aufgaben werden Schmucknarben und Veränderungen an Körperteilen (Skarifizierungen) für gewöhnlich in Verbindung gebracht. Tätowierungen auf dunkler Haut wären dafür zudem wenig geeignet. In den vorgestellten Beispielen kommt aber eine brisante sozial-politische Dimension hinzu.

Per Stimmzettel und Referendum trennte sich 2011- erstmalig in Afrika - die heutige Republik Südsudan vom langjährigen Kriegsgegner Sudan. Damals dokumentierte der Frankfurter Filmemacher und Fotograf Oliver G. Becker (occasione.de) den politischen Abspaltungsprozess für den TV Sender Al Jazeera. Seit 2010 reist Becker in den zentral-ostafrikanischen Vielvölker-Staat, fotografierte und befragte Angehörige und traditionelle Repräsentanten der verschiedenen Ethnien, welche Bedeutung die ungewöhnlichen Schmucknarben in den Gesichtern junger Südsudanesen heute noch haben. Wie bedeutend sind die Körpermarkierungen als Ausdruck kultureller Identität in einer jungen Nation mit Einwohnern, die 64 verschiedenen Ethnien angehören? Die Porträt-Fotos und Videos erweitern den Blick auf die Menschen des jüngsten UN-Mitglieds der Welt, die auf ihrem Weg in die Moderne vor großen Herausforderungen stehen - und einer Zerreißprobe.​

Kurator: Werner Lorke, Professor für Neue Materialien und Technologie im Design, Ökologie

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Jomon tribe 08